Gendersprache in der Werbung: Pro und Contra

In den letzten Jahren hat sich das Thema Gendersprache fast überall durchgesetzt: Zeitungen gendern, Politiker gendern und – das vielleicht überraschendste – immer mehr Unternehmen entscheiden sich für gegenderte Werbeslogans. Ob man nun von Kund*innen, Mitarbeiter:innen oder Teilnehmenden spricht, die Sprache in der Werbung verändert sich und spaltet zugleich die Gemüter. Aber was bringt Gendersprache hier wirklich? Ist es ein mutiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung oder einfach ein Trend, den die Marketingwelt aufgeschnappt hat, um hip und progressiv zu wirken?
Werfen wir doch einfach mal einen Blick auf die Pros und Kontras.

Pro: Mehr Repräsentation und Vielfalt

Ein starkes Argument für die Gendersprache ist, dass sie unterschiedliche Geschlechter explizit einschließt und sichtbar macht. Werbung erreicht schließlich Millionen von Menschen – und diese Menschen sind nicht alle männlich, weiß und heterosexuell. Unternehmen, die bewusst gendern, setzen ein Zeichen für Inklusion. Sie machen deutlich, dass sie alle ansprechen wollen, unabhängig von Geschlecht, Identität oder Lebensweise.

Viele Menschen fühlen sich durch die gegenderte Sprache besser repräsentiert und erkennen sich in der Marke wieder. Studien zeigen, dass Kunden dazu tendieren, Produkte eher zu kaufen, wenn sie sich mit der Werbebotschaft und der Haltung des Unternehmens identifizieren können. In einer immer diverseren Gesellschaft kann das Gendern in der Werbung also durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein.

Kontra: Nur eine Marketing-Masche?

Kritiker werfen gegenderten Werbeslogans vor, sie seien nicht mehr als eine bloße Show – eine oberflächliche Masche, um progressiv zu wirken, ohne tatsächlich etwas zu verändern. Unternehmen, die gendern, tun das in vielen Fällen nur, weil es „modern“ ist, und nicht unbedingt, weil sie einen sozialen Wandel fördern wollen. Der Einsatz von Gendersternchen, Unterstrichen oder Doppelpunkten kann auch leicht als „Pflaster“ wahrgenommen werden, das echte Probleme im Unternehmen überdecken soll.

In einer ironischen Wendung merken viele an, dass einige der lautesten Fürsprecher des Genderns in der Werbung genau jene Marken sind, die in anderen Aspekten ihres Geschäftsmodells wenig inklusiv sind. Unternehmen, die einerseits gendern, andererseits aber auf fragwürdige Arbeitsbedingungen in der Lieferkette setzen, werden schnell als „Heuchler“ abgestempelt.

Pro: Sprache schafft Realität

Sprache prägt, wie wir die Welt sehen. Wenn wir immer nur „Kunden“ ansprechen und „Mitarbeiter“ betonen, dann festigen wir unbewusst Geschlechterrollen und Ausschlüsse. Durch eine Sprache, die alle Geschlechter anspricht, können wir bewirken, dass die Gesellschaft sensibler für Vielfalt und Gleichberechtigung wird. Werbung ist ein mächtiges Werkzeug, das bestimmte Normen beeinflussen und brechen kann. Warum es also nicht nutzen, um mehr Gleichberechtigung in unsere Köpfe und unsere Gesellschaft zu bringen?

Ein weiteres Argument: Kinder und Jugendliche wachsen in einer Welt auf, die vielfältiger ist als jemals zuvor. Wenn Werbung gegenderte Sprache verwendet, reflektiert sie diese Vielfalt und bereitet kommende Generationen darauf vor, eine inklusive Gesellschaft zu leben.

Kontra: Gendersprache ist nicht intuitiv und wirkt gekünstelt

Viele Menschen tun sich schwer mit der Gendersprache und empfinden sie als störend, wenn sie ständig im Alltag damit konfrontiert werden. Statt die Botschaft der Werbung klarzumachen, kann das Gendern die Verständlichkeit beeinträchtigen und den eigentlichen Inhalt verschleiern. Ein Slogan wie „Für alle Kund:innen“ oder „Unsere Mitarbeiter:innen machen den Unterschied“ kann schnell sperrig und weniger einprägsam wirken als die herkömmliche Variante.

Der Umstellungsaufwand ist dabei nicht zu unterschätzen. Wer kennt es nicht? Eine einfache Formulierung wird durch Sternchen, Doppelpunkte oder andere Sonderzeichen plötzlich zur kryptischen Botschaft, die mehr Rätsel aufgibt, als sie klar kommuniziert. Besonders bei großen Unternehmen mit vielen Werbematerialien kostet diese Umstellung eine Menge Zeit und Geld. Ist das Gendern wirklich den Aufwand wert, wenn es auf so viel Widerstand stößt?

Pro: Marken zeigen Haltung und schaffen Vertrauen

In einer Zeit, in der Konsumenten immer bewusster und kritischer werden, können Marken, die sich klar positionieren, ein starkes Image aufbauen. Das Gendern von Werbesprache signalisiert, dass das Unternehmen auf der Höhe der Zeit ist und den gesellschaftlichen Wandel ernst nimmt. Gerade jüngere Zielgruppen legen Wert darauf, dass Unternehmen sozial und politisch engagiert sind – und Gendersprache kann Teil dieses Engagements sein.

Verbraucher wollen authentische Marken, die sich nicht nur an die Börse, sondern auch an ihre Überzeugungen halten. Wenn ein Unternehmen glaubhaft gendern kann und dies als Teil seiner Werte verankert, schafft es Vertrauen und Loyalität bei den Konsumenten.

Kontra: Gefahr der Überkorrektheit und des Identitätsverlusts

Nicht jedes Unternehmen passt zur gegenderten Sprache. Traditionell maskuline Marken – wie etwa ein Werkzeughersteller oder eine Whisky-Marke – könnten durch das Gendern Gefahr laufen, ihre ursprüngliche Zielgruppe zu verlieren oder sich selbst fremd zu werden. Gendersprache ist schließlich nicht für jedes Unternehmen authentisch und kann das Identitätsbild verwässern. Authentizität ist in der Werbung das A und O. Ein zwanghaftes Gendern wirkt dabei schnell steif und unecht, und das fällt den Konsumenten auf.

Ein weiteres Risiko: Wenn alle gendern, geht auch der Wiedererkennungswert verloren. Was zunächst als Unterscheidungsmerkmal fungierte, wird zur Massenerscheinung. Der ursprünglich positive Effekt verpufft und das Gendern wird zur bloßen Gewohnheit ohne besonderen Wiedererkennungswert.

Fazit: Zwischen Haltung und Oberflächlichkeit

Die Debatte um Gendersprache in der Werbung ist komplex und emotional aufgeladen. Einerseits kann gendergerechte Sprache Marken helfen, sich modern und inklusiv zu präsentieren und eine neue Zielgruppe anzusprechen. Andererseits besteht die Gefahr, dass das Ganze als oberflächliches Marketingtool wahrgenommen wird – oder dass es schlichtweg zu umständlich ist, um in der Werbung wirklich effektiv zu sein.

Letztlich bleibt die Frage: Ist das Gendern ein ernstzunehmender Beitrag zur Gleichberechtigung oder bloß eine Marketinghülle ohne Kern? Entscheidend ist wohl, ob das Unternehmen die Werte hinter der Gendersprache glaubhaft lebt – und nicht nur auf den Trendzug aufspringt.